2013 d

Susanne Walter findet Druckstöcke im Wald. Sie färbt die abgesägten Baumstümpfe ein und druckt sie vor Ort ab. Die Baumstümpfe sind die Reste, die nicht verwertbaren Überbleibsel der materialistischen Waldnutzung. Der Förster markiert die Schnittstelle, damit nur der nutzbare Teil verwendet wird, der Rest verbleibt als Wurzelwerk in dem Waldboden. Diese Schnittstelle markiert die Grenze zwischen dem in der Erde tief verwurzelten Baumrest und erinnert an den in der Zeit und in die Luft ehemals verzweigten Baum.

Wie die Abnahme einer Totenmaske noch den Schein eines gewesenen Menschen wiedergibt, so erinnern die Abdrücke der Baumstümpfe mit ihren sichtbar gewordenen Wachstumsringen an das allmähliche Entfalten des gewesenen Baumes. Die markanten Sägespuren verweisen auf den plötzlichen Baumtod.
Behutsam, fast zärtlich aber mit gehöriger körperlicher Kraft reibt Susanne Walter diese Spuren auf Japanpapier ab. Sie nimmt sozusagen eine flächige Totenmaske des anonymen Baumes ab. So stehen solche Abdrücke, pars pro toto, für die Gesamtheit der gefällten Bäume, für den Wald. So geben die vorgestellten Serien "woodcuts" Zeugnis von dem Leben, der Zivilisation und der Gesellschaft. Diese Abdrücke werden in einer zweiten Phase dreidimensional überhöht. Susanne Walter appliziert sie auf Flachpodeste und ordnet sie an der Wand zu einer Installatation. Andere Hochdrucke auf hochwertigem Aquarellpapier erfahren ihre Nobilierung durch eine Rahmung im klassischen Verfahren.

Susanne Walter begibt sich auf eine konsequente Spurensuche. Sie hat sich als Grafikerin den klassischen Druckverfahren verschrieben und wendet diese technologischen un kunstgeschichtliche Wissen in überraschender und neuer Weise an. Der klassische handgefertigte Druckstock wird ersetzt durch Vorgefundenes wie bei den früheren Arbeiten das benutzte Frühstücksbrettchen, die Bahnsteige oder durch Baumstümpfe, "woodcuts" eben.

Werner Hielscher